Die Blüte spielt eine zentrale Rolle in der Fortpflanzung von höheren Pflanzen. Während die äußere Gestalt vieler Pflanzenarten sehr variabel sein kann, ist die Gestalt und Funktion der Fortpflanzungsorgane (Blüten, Früchte, Samen) innerhalb einer Art fast immer sehr einheitlich. Sie können als Maß für den Grad der Verwandschaft (gemeinsamen Abstammungsgeschichte) herangezogen werden. Aus diesem Grunde werden in der Einteilung (Klassifikation) der Pflanzenwelt Merkmale der Fortpflanzungsorgane bevorzugt benutzt, so z.B. die Anzahl der Grundorgane (Kelch-, Kronen-, Staub- und Fruchtblätter) und die Lage dieser zueinander.
Der Bedeutung der Blüte und der enormen Vielfalt ihrer Ausprägung und Funktionsweise entsprechend hat sich ein biologisches Spezialgebiet ausgebildet, die Blütenökologie. Sie nahm ihren Anfang Ende des 18. Jahrhunders mit dem Erkennen der Sexualität der Pflanzen, der Existenz von zwei verschiedenen Typen von Keimzellen also, aus deren Vereinigung im Fortpflanzungszyklus der Pflanzenkörper hervorgeht. Hieraus ergibt sich eine ständige Durchmischung des genetischen Materials der Arten -- eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Anpassung an immer neue Umweltverhältnisse im Rahmen der Evolution. Bei den Blütenpflanzen geschieht dies durch die Übertragung des Pollens (männliche Keimzellen) auf die Narbe der weiblichen Blütenteile. Diese Bestäubung ist normalerweise Vorausetzung für die Bildung von Samen, aus denen wiederum (meist nach einem Verbreitungsvorgang) eine neue Pflanze keimt.
Warum stinken manche Blüten, während wir andere gerade wegen ihres Duftes schätzen? Warum blühen viele unserer Waldbäume im Frühling vor Erscheinen der Blätter? Warum sitzen die Blüten der Feigen oder des Kakaobaumes am Stamm? Manche solcher Fragen können beantwortet werden, oft auf Grund von langwierigen Beobachtungen und Experimenten. Wie oft in der Naturforschung ist aber die Zahl der offenen Fragen viel höher. Viele lassen sich auch nicht beantworten, da die Natur, wenn sie keinem Druck durch äußere Umstände unterliegt, eine Vielfalt von nicht durch die Funktion bestimmten Formen hervorbringen kann.
Zur Erlangung einer Übersicht wird auch hier klassifiziert - der immerwährende Versuch des Menschen, Einsicht, Verständnis und Voraussicht durch Verallgemeinerung zu erreichen. Man kann die Blüten (bzw. die "Blumen", die blütenbiologisch bedeutsame Einheit; diese kann aus mehreren Blüten bestehen) nach ihrer äußeren Form einteilen, z.B. Glocken-, Röhren-, Scheiben-, Bürsten-, Rachen- und Fahnenblumen.
Die Art der Bestäubung ergibt weitere Klassifizierungskriterien. Man unterscheidet zunächst zwischen "abiotischer" und "biotischer Bestäubung". Im ersteren Fall erfolgt die Übertragung des Pollens durch Wind oder Wasser. Im Falle der Windblütigkeit müssen große Mengen leichten Pollens produziert werden, da ja die Wahrscheinlichkeit, zufällig auf eine Narbe zu treffen, relativ gering ist. Die Aussichten werden erhöht, wenn die Blüten nicht durch Laub verdeckt sind, wenn die Blütenhülle (Kelch- und Kronblätter) zurückgebildet sind und wenn die Narbe relativ groß ist.
Echte Wasserbestäubung ist selten (z.B. beim Hornblatt, Ceratophyllum, oder beim marinen Seegras Zostera). Interessant ist die Bestäubung bei der aus Aquarien bekannten schraubigen Vallisnerie (Vallisneria spiralis): Diese Unterwasserpflanze schickt ihre weiblichen Blüten an langen schraubigen Stielen an die Wasseroberfläche. Die männlichen Blüten lösen sich als Knospen von der Pflanze, steigen auf und öffnen sich an der Wasseroberfläche. Die Staubblätter stehen tentakelartig ab, erreichen sie eine weibliche Blüte kommen sie zwangsläufig mit der Narbe in Berührung und bestäuben diese (Abbildung aus "Strasburger, Lehrbuch der Botanik").
Die biotische Bestäubung (Tierblütigkeit) ist das eigentliche Thema der Blütenökologie, das hier nur angerissen werden kann. Das Spektrum reicht von gelegentlicher Pollenübertragung durch Insekten bei eigentlich windblütigen Pflanzen bis zu hochspezialisierten Einrichtungen bei Blüte und Tier, die vollkommen aufeinander angewiesen sein können. Bei diesem "Geschäft" übernehmen die Tiere den Transport des Pollens um eine Fremdbestäubung zu erreichen. Die Pflanze bietet zumeist Nahrung, aber auch Schutz, Unterkunft, oder Brutpflege gehören zu den Leistungen des pflanzlichen Partners. Wie im menschlichen Geschäftsleben gibt es auch Betrüger, Kidnapper und Mörder -- manche blütenökologische Erkenntnisse grenzen an Kriminalromane: Orchideen, die per Geruch männlichen Insekten ein Weibchen "vorspiegeln" (Ragwurz, Ophris) oder einen Konkurrenten imitieren, der angegriffen werden muss (Centris); Seerosen, die die bestäubenden Insekten ertränken (Nymphaea, wohl eher als Nebeneffekt, aber trotzdem...); Kesselfallenblüten bei Aronstabgewächsen (z.B. Arum maculatum) oder Aristolochia, die ihre Opfer teils tagelang festhalten (dabei aber meist gut füttern); Klemmfallen bei Asclepiadaceen, in denen manch ein kleineres Insekt umkommt.... Aber auch von den "ehrlichen" Geschäftsbeziehungen gibt es faszinierendes zu berichten. So zum Beispiel bei den Feigen (Ficus), die den bestäubenden Insekten besondere (weibliche) Blüten zur Eiablage anbieten.
Die verschiedenen bestäubenden Tiergruppen weisen teilweise charakteristische Unterschiede im Körperbau, Verhalten oder in ihrer Sinnesphysiologie (z.B. verschiedenes Farbensehen) auf. Blüten, die auf diese Bestäuber angewiesen sind, müssen dem angepaßt sein (ökologische Blumentypen). Fledermausblumen zeigen meist eine Kombination aus weiter Blütenöffnung, derber Blütenhülle (zum Anklammern), trüben Farben, nächlichem Blüten und muffigen oder fruchtigen Gerüchen Vogelblumen sind (wie auch Tagfalterblumen) oft rot, manchmal auch blau, grüngelb oder "papageienfarben". Abzutrennen sind hier die Kolibriblumen, durch den Schwirrflug der Kolibris erübrigen sich Sitzgelegenheiten, andererseits ist der Energieverbrauch besonders hoch, sodaß viel zuckerhaltiger Nektar angeboten werden muß.
Ein Kolibri an Blüten von Centropogon. Die Blüte ist vormännlich. Dann berühren die Staubbeutel die Kopfplatte des Kolibris (oben) Im folgenden weiblichen Zustand biegen sich die Staubbeutel nach oben ab, und die bürstenartige Narbe nimmt Blütenstaub von der Kopfplatte ab (unten). Die Blüte ist also auf Fremdbestäubung eingestellt. (Heß 1983)
Diese sehr lückenhafte Darstellung des Themas ist nun schon so lang geworden, daß kaum Platz für Illustrationen übrig war. Es bleibt nur, ein Buch zu nennen, das die Blütenökologie ausführlicher behandelt. Mit gutem Gewissen kann ich hier den reich illustrierten Band "Die Blüte" von Dieter Heß empfehlen (Ulmer Verlag, Stuttgart 1983), dem auch die letzte Abbildung entnommen ist.