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Kakteenhaus

Gewächshäuser - Haus I

In Haus I betreten wir Sukkulentenlandschaften der Neuen Welt, in denen die Kakteen (Cactaceae), Agaven, Schopfbäume der Gattungen Dasylirion und Beaucarnea (Familie Agavaceae) sowie einige Dickblattgewächse der Gattungen Echeveria, Dudleya und Sedum besonders hervortreten. Sie sind teils in geographischen Gruppen (Mexiko, Anden, südöstliches Südamerika) und teils in Themengruppen gepflanzt. Mittelpunkt einer Schaugruppe von Kakteen mit unterschiedlichen Wuchsformen ist ein wohl über 100 Jahre alter Goldkugelkaktus (Echinocactus grusonii). Diese Art wurde erst 1885 in Mexiko entdeckt und vom Berliner Kakteenhändler und -kenner Hildmann eingeführt und als neue Art beschrieben, ist also gewissermaßen eine „Berliner Pflanze“.

Als „Urkakteen“, also gewissermaßen lebende Vorfahren der Kakteen werden gelegentlich die noch mit normalen Blättern versehenen, strauchigen oder baumförmigen Laubkakteen bezeichnet. Der Großblättrige Laubkaktus (Pereskia grandifolia) erfreut fast den ganzen Sommer über mit wildrosenähnlichen Blüten. Die Pflanze gleicht mehr einer Heckenrose als einem Kaktus. Pereskia aculeata ist dagegen ein Schlinger, der erst spät im Herbst, wenn in unserem Klima überhaupt, zur Blüte kommt. Allein die Dornbüschel an den Sproßachsen sowie Einzelheiten des Blütenbaus verraten die Zugehörigkeit der Pereskien zur Familie der Cactaceen.

Zu den markantesten Pflanzen dieser Familie gehören die behaarten Säulen der Gattungen Pilosocereus und Espostoa. Aus den Haarschöpfen erscheinen die nektarreichen, in der Natur von Blumenfledermäusen besuchten Blüten. Die noch unverzweigten Säulen von Pachycereus pringlei sind zu jung, um eine Vorstellung von den Dimensionen dieses wohl dickstämmigsten und in Niederkalifornien bis 18 Meter Höhe erreichenden Kandelaberkaktus (einem nahen Verwandten des Saguaro) zu vermitteln. Wie Schlangen kriechen dagegen „Säulenkakteen“ ohne Festigungsgewebe auf dem Erdboden, z. B. Trichocereus thelegonus (Echinopsis thelegona) und Stenocereus eruca. Auch sie gehören zur Formenvielfalt der Säulenkakteen, die früher der Gattung Cereus zugerechnet, dann in eine Vielzahl von kleinen Gattungen aufgespalten wurden und heute zum Teil wieder zu größeren Einheiten zusammengefaßt werden.

Zu den thematischen Gruppen gehören z. B. die sogenannten Pest-Kakteen, die sich besonders in Australien und Südafrika als schwer auszurottende Weideunkräuter breit machen. Der wichtigste Nutzkaktus ist Opuntia ficus-indica, der Feigenkaktus im engeren Sinne, der nicht nur in seiner mexikanischen Heimat, sondern zum Beispiel auch auf Sizilien angebaut und in vielen Ländern ferner als Heckenpflanze und Notfutter für das Vieh verwendet wird. Andere nutzbare Sukkulenten sind Agaven. Agave salmiana liefert Agavenwein (Pulque), Agave tequilana Agavenschnaps (Tequila). Weitere Beispiele sind Kakteen, die als Hecken und Zäune gepflanzt werden.

Auf der Galerie werden weitere thematische Gruppen dargestellt: ein Gattungs-ABC der Kakteen, „Berliner Kakteen“ sowie eine jeweils paarweise Gegenüberstellung von Doppelgängern, das heißt von ähnlichen (konvergenten) Formen bei Kakteen und anderen Sukkulenten. Beispiele sind die kakteenähnlichen Kugeln von Euphorbia horrida und E. obesa, die Ähnlichkeit von Agave bracteosa und Hechtia caerulea.

Die geographischen Gruppen umfassen Mexiko (andeutungsweise unterteilt in Südmexiko, Zentralmexiko und den Nordwesten mit Niederkalifornien), das südöstliche Südamerika und die Andenländer. In den kakteenreichen Gebieten Mexikos sind auch viele andere Sukkulenten beheimatet, zum Beispiel das mit seinen rotbespitzten, dicken Blättern auch ohne Blüten hübsche Sedum rubrotinctum, die weiß bereiften Rosetten von Dudleya brittonii und die sukkulente Commelinacee Tradescantia navicularis. Senecio praecox, ein mit unseren einheimischen Kreuzkräutern verwandter Kandelaberstrauch mit dicken Trieben und großen Laubblättern aus Mexiko, bringt im blattlosen Zustand vor dem Laubaustrieb seine gelben Blütenköpfchen hervor.

Durch Kalkstein angedeutet sind die Kalkgebirge Mexikos mit mehreren Mammillaria-, Ferocactus- und Astrophytum-Arten sowie der sehr zierlich beblätterten Schopfrosettenpflanze Dasylirion longissimum. Aus den Sukkulenten-Halbwüsten von Sonora und Niederkalifornien im Nordwesten Mexikos mit vorherrschenden Urgesteinsböden stammen viele der hier in jungen, aus Samen gezogenen Pflanzen der Gattungen Agave, Opuntia und Fouquieria.

Aus den Trockenwäldern der Chaco-Region Nordargentiniens, Paraguays und Ostboliviens stammt der bizarre Keulencereus (Stetsonia coryne), verschiedene Harrisia, Echinopsis und Gymnocalycium-Arten. Aus Brasilien stammen Arten der Gattung Pilosocereus und die baumförmige Opuntia brasiliensis, welche sich wie ein laubwerfender Baum verhält, jedoch bei Trockenheit nicht Blätter, sondern blattartige Flachsprosse abwirft.

Das südamerikanische Gegenstück zu den Trockengebieten Mexikos sind die Trockentäler der Anden von Peru bis Chile und Nordwestargentinien. Kandelaberkakteen wie Browningia und Trichocereus (=Echinopsis) und schlanktriebige, zum Teil von Felsen herabhängende, kolibriblütige Cleistocactus-Arten mit weißer, gelber oder vielfarbig rotbrauner Bedornung finden sich hier zusammen mit den dichten Polstern der sukkulenten Bromeliengewächse der Gattung Abromeitiella aus Bolivien und Nordwestargentinien.

Auf der Galerie ranken über der Tür zum Innenhof die schlangenförmigen Triebe der Prinzessin der Nacht (Selenicereus pteranthus) und von Hylocereus undatus, beide im Sommer mit großen, weißen, sich nur nachts entfaltenden und am Morgen schon verwelkenden Blüten.

B. Leuenberger

Rundgang durch die Gewächshäuser...