„Das Ganze ist ein Riesenproblem", so Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens Berlin. "Nicht nur für unseren Gartenbetrieb, sondern auch für alle Berlinerinnen und Berliner! Denn die Bestände der Hybrid-Luzerne haben sich in nur wenigen Jahren potenziert. Wenn wir die Vielfalt unserer Berliner Pflanzenarten erhalten wollen, müssen wir jetzt dringend handeln! Wir brauchen mehr Bewusstsein in der Breite und mehr Wissen über wirkungsvolle Gegenmaßnahmen.“
Die mehrjährige Pflanze mit kleinen violetten oder violett-gelben Blüten ist sehr konkurrenzstark und wird über einen halben Meter hoch. Sie hat tiefe Wurzeln, mit denen sie in feuchtere Bodenschichten gelangt und treibt nach der Mahd rasch wieder aus. Wie alle Schmetterlingsblütler besitzt sie in ihren Wurzeln eine Symbiose mit sogenannten Knöllchenbakterien, die sie mit Stickstoff, dem wichtigsten Pflanzennährstoff, versorgen. Diese Eigenschaften verschaffen ihr an trockenen und nährstoffarmen Standorten einen wesentlichen Vorteil. Und wo die Hybrid-Luzerne Massenbestände bildet, werden einheimische konkurrenzschwache Arten schlicht und einfach verdrängt. Insbesondere die noch an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet vorhandenen Magerrasen mit besonderen Arten wie Frühlingsfingerkraut, Grasnelke, Schillergras oder Sandstrohblume sind zunehmend durch das Überwuchern der Hybrid-Luzerne gefährdet, aber auch die bunt blühenden und nährstoffarmen Ruderalfluren mit Natternkopf, Steinklee-Arten, Wilder Möhre und Johanniskraut.
„Und das Schlimme ist, dass die Art nach wie vor in Saatgutmischungen enthalten ist. So wird die Hybrid-Luzerne noch weiter aktiv ausgebreitet und kann weiteren Schaden anrichten“, erklärt Thomas Borsch. „Daher appellieren wir eindringlich an alle Saatguthersteller, die Samen der Hybrid-Luzerne aus sämtlichen Saatgutmischungen zu verbannen.“ Verbrauchern rät der Biologe, genau hinzuschauen, was sich zum Beispiel in den so genannten „Seedbombs“ oder Samentütchen verbirgt. Finden sich auf der Verpackung keine Angaben zum Inhalt oder sind gar Samen der Hybrid-Luzerne enthalten, rät er dringend vom Kauf ab.
„Ebenfalls sehr wichtig ist, dass Gärtnerinnen und Gärtner im öffentlichen Raum gut geschult sind und genau verfolgen, was wo wächst. Denn auch wenn wir empfehlen, für unsere städtische Artenvielfalt Straßenränder und Wiesen möglichst selten zu mähen, gilt das für die Hybrid-Luzerne nicht“, warnt der Direktor des Botanischen Gartens Berlin. Im Gegenteil, dort wo die Pflanze sich ausbreite, müsse eher mehr als zu wenig gemäht werden. „Wichtig ist, dass die Pflanzen in Vollblüte gemäht werden, um die Samenbildung zu unterbinden. Mehrmaliges Mähen während der Vegetationsperiode schwächt die wieder austreibenden Pflanzen zusätzlich“, unterstreicht Thomas Borsch.
Unklar ist, warum sich die Hybrid-Luzerne in den vergangenen Jahren so massiv ausgebreitet hat. Fakt ist, dass es sich um keine einheimische und auch keine natürlich vorkommende Art handelt. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass hier Sorten, die mit dem Ziel der Trockenresistenz oder besserer Mahdverträglichkeit und Vitalität gezüchtet wurden, invasiv geworden sind. Deshalb warnen wir immer wieder eindringlich davor, Pflanzenarten, die nicht bei uns heimisch sind, für Begrünungen oder Blühstreifen zu nutzen. Auch die Gesetzeslage ist klar: Das Ausbringen von neophytischen Pflanzenarten ist nicht erlaubt. Das hat seinen guten Grund, wie wir am Beispiel der Hybrid-Luzerne sehen. Damit können wir uns massive Probleme einhandeln. Und es wird immer aufwändiger, vernünftigen Naturschutz zu betreiben“, so der Gartendirektor abschließend.
Die Hybrid-Luzerne (Medicago x varia) ist ein Neophyt, der sich in kürzester Zeit extrem stark ausgebreitet hat. Es handelt sich um eine Kreuzung zwischen einer gebietsfremden Kulturpflanze aus Südost-Europa/Westasien Medicago sativa mit violetten Blüten und der einheimischen Art Medicago falcata mit gelben Blüten. Solche invasiven Arten zählen neben der Überdüngung der Landschaft, der veränderten Landnutzung durch Land- und Forstwirtschaft und der Entwässerung unserer Moore und Feuchtwiesen zu den Faktoren, die im Wesentlichen für den Rückgang der heimischen Pflanzenvielfalt verantwortlich sind. Invasive Arten – also Arten, die die heimische Flora und Fauna verdrängen – sind zum Beispiel der Götterbaum (Ailanthus altissima), Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) oder der extrem tiefwurzelnde Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica).
Pressefotos (zum Download): Hybrid-Luzerne breitet sich immer weiter aus und hat das Potential, ganze Flächen umzukrempeln, Foto: Thomas Borsch, © Botanischer Garten Berlin
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